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Grüner Stadtrat Thomas Rammerstorfer im Gespräch5 Min. Lesedauer

25. September 2022 4 Min. Lesedauer

Grüner Stadtrat Thomas Rammerstorfer im Gespräch5 Min. Lesedauer

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Thomas Rammerstorfer ist der erste grüne Stadtrat in Wels. In seiner Jugend machte er seine ersten schlechten Erfahrungen mit Nazis, später dockte er bei der Antifa an. Bei den Grünen war er zwei Jahre parlamentarischer Mitarbeiter und erlebte die Hürden der Bundespolitik. Wels will er in Zukunft offener, umweltfreundlicher und architektonisch schöner sehen.

Herr Rammerstorfer, Sie waren ja zwei Jahre parlamentarischer Mitarbeiter des grünen Nationalrates Ralph Schallmeiner. Nun sind Sie Stadtrat in Wels. Was gefällt Ihnen denn besser: Bundes- oder Kommunalpolitik?

Ganz ehrlich, ich bin recht froh darüber, dass ich nicht mehr viel mit der Bundespolitik zu tun habe. Und das liegt gar nicht an den Politikern oder dem Koalitionspartner. Es macht jeden mit der Zeit mürbe, wenn man sieht, dass man fast nichts weiterbringen kann, weil man am System scheitert. Der überbordende Föderalismus, die ganzen Kammern und Interessensvertretungen verhindern vernünftige Lösungen. Und selbst wenn die Bundesorganisationen der Kammern zu etwas bereit sind, findet sich in irgendeinem Bundesland eine Teilorganisation, die wieder alles blockiert. Ich verstehe, dass die Menschen unzufrieden mit der Politik sind. Ich verrate Ihnen etwas: Viele Politiker sind es auch.

Auch in Wels gibt es viele Interessensgruppen.

Ja, sicher. Aber es ist in der Bundespolitik eine vollkommen andere Dimension. Hier in Wels muss man auch dem einen oder anderen Verein erklären, dass man nicht nur seine eigenen Sandkastenspiele machen kann, wenn man einen öffentlichen Auftrag hat und von der Stadt gefördert wird. In Wels geht es oft um persönliche Befindlichkeiten, die konstruktive Projekte scheitern oder gar nicht aufkommen lassen.

Sie gelten als Paradelinker. Hat die Linke nicht auch oft ein Problem mit anderen Meinungen?

Ja, hat sie, aber nicht nur die Linke. Natürlich bin ich politisch links, aber darauf bin ich stolz. Jedoch verstehe ich mich als antiautoritärer Linker – mit Sowjetromantik kann ich wenig anfangen, da diese Systeme autoritär waren. Was mich geprägt hat, war der aufflammende Rassismus in Österreich und auch die Neonaziszene in Wels. Als ersichtlich Alternativer  mit langen Haaren und Metall-Look habe ich in meiner Jugend oft genug Schläge von Neonazis bekommen. Sogar meine damalige Freundin wurde zusammengeschlagen, nur weil sie meine Freundin war. Auch die Altnazis waren in Wels zahlreich vertreten. Das prägt. Und hier will man nicht tatenlos zusehen. Auch wenn die Antifa-Gruppen keinen guten Ruf haben und auch ihre Fehler haben – ohne sie wäre der Rechtsextremismus heute nicht so gesellschaftlich tabuisiert. Und das ist gut so.

Kommen wir zu Ihrem Aufgabengebiet als Stadtrat. Ein spannender Bereich ist Ihre Zuständigkeit für das Kulturzentrum Alter Schl8hof. Wie sind hier Ihre Pläne?

Der Alte Schl8hof sollte wieder auf die Breite an Vereinen zurückkommen, so wie er bei seiner Gründung ausgestattet war. Dieses Kulturzentrum ist sehr bedeutend für Wels, jedoch hätte der Schl8hof viel mehr Potential. Wenn jemand Ideen hat, man soll sich bitte bei mir melden. Einfach am Magistrat anrufen und sich zu mir verbinden lassen. Gerade über vollkommen neue Inititativen würde ich mich freuen.

In Zeiten von Corona ist das Thema ja nach hinten gerückt, aber sollte man Wels wieder als Konzertstadt etablieren?

Wels war ja in den 90ern ganz ohne dem Zutun der Stadt eine Konzertstadt. Das Underground-Festival war bis Deutschland bekannt. Politisch war es dann aber nicht gewollt. Das ist schade und die Stadt wäre gefragt, hier wieder etwas gutzumachen. Jedoch finde ich hier das Engagement von Bürgermeister Rabl sehr halbherzig. 

Die Posse mit der Veranstaltungsfirma WEVA, bei der keiner gewusst hat, ob die Stadt das jetzt unterstützt oder nicht, war etwas peinlich. Das macht keinen guten Eindruck auf die Eventbranche.

Sie sind ja auch Klima- und Umweltstadtrat, einem Kernthema der Grünen.

Ja, und das macht mir große Freude. Um unseren Teil zum Klimaschutz beizutragen, sollten gerade wir in Wels mehr aufs Fahrrad setzen. 

Die ganze Stadt ist flach und wie gebaut fürs Radfahren. Jedoch benötigen wir eine vernünftige Infrastruktur, damit das Verkehrsmittel Rad in Wels eine echte Alternative wird. Und dazu gehört einfach der Ausbau der Radwege. Und zwar nicht am Rande der Stadt, sondern von den Stadtteilen in die Innenstadt. Ich würde ja auch vorschlagen, dass die Gemeinderäte ein Dienstrad bekommen, um mit gutem Vorbild voranzufahren.

Oft wird ja den Grünen vorgeworfen, dass sie zwar das Rad predigen, aber selbst mit dem Auto fahren.

Das wird bei mir schwierig, weil ich selbst den Führerschein nie gemacht habe. Ich finde das Rad praktischer und man macht auch Sport dabei. Aber ich bin dann und wann Beifahrer im Auto. Und bei großen Einkäufen weiß ich auch das Auto zu schätzen. Ich will den Menschen ja nicht ihr Auto wegnehmen, sondern ihnen nur das Radfahren so kommod wie möglich machen. Die Leute sollen freiwillig umsteigen.

 

Sie sind ja auch historisch sehr interessiert. Einen besonderen Fokus legen Sie auf Ihren Heimatstadtteil Lichtenegg. Aber auch der Wiederaufbau des Semmelturmes ist ja eine Idee, die bei Ihnen Gefallen findet.

Am Anfang habe ich die Forderung nach dem Wiederaufbau des Semmelturmes als vollkommen irr entfunden. Aber ich fand schnell Gefallen daran. Gerade wir in Wels haben so viele identitätsstiftende Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Warum sollte man sich geistige Schranken setzen und nicht wieder welche aufbauen. Und wie die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, werden diese Gebäude hervorragend angenommen. Der Semmelturm wäre ja auch ein hervorragender Standort für ein Comeback eines Würstelstandes am KJ. Also wenn der Bürgermeister nicht nur reden will, sondern auch handeln: Mit den Stimmen der Grünen ist der Semmelturm beschlossene Sache.

Ist die Architektur in unseren Breiten generell in der Krise. Stichwort  „Schuhschachteln“

Es ist ja lustig, dass gerade ich als Grüner das Wort Heimat ansprechen muss: Aber Gebäude gehören wie Berge und Seen zur Identität unserer Heimat. Und wenn man sich unsere Vorstädte ansieht, sind diese vollkommen austauschbar geworden. Abgesehen davon, kann es nicht Ziel sein, Menschen in Legebatterien unterzubringen.

Auch der Umgang mit historischer Bausubstanz ist stiefmütterlich. In Wels regiert noch immer die Abrissbirne. 

Es ist dem Bürgermeister zwar zuzuschreiben, dass er auch die architektonische Einfallslosigkeit kritisiert, jedoch müssen den Worten auch Taten folgen. Rabl kann sich jetzt einmal beim Neubau des BAWAG-Hauses am Ring beweisen. Der Neubau sollte eine mindestens so detaillierte Fassade wie der aktuelle Bau haben, damit das Ergebnis einigermaßen befriedigend ist.